Heute möchte ich ein Thema anteasern, über welches ich erst mehrfach nachgedacht und es später laut ausgesprochen habe. Vielleicht ist es Hochachtung gegenüber all den Ultra-Marathonis, TED-Referent*innen und Hospiz-Ehrenämtler*innen, vielleicht ist es Neid gegenüber allen, die ihre Passion im Tun bestimmter Dinge gefunden haben, oder vieleher der Hohn gegenüber all den Bewerbungstrainingsweisheiten (der hoffentlich längst vergangenen Tage).
Unsere Lebensläufe zeigen viel zu wenig Persönlichkeit! 🤙
Jüngst habe ich mir den Spaß gemacht und nach aktuellen Hinweisen gesucht, was man hinsichtlich Hobbies im CV beachten sollte. Offensichtlich hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahre kaum etwas geändert 🤦♂️:
„Risikorelevante Hobbies, wie Motorradfahren, Bungee Jumping, Fallschirmspringen solltest du unbedingt vermeiden.“ Aber warum ist das so? „Hier hat der Personaler nur Angst eine Fehlinvestition in das Humankapital zu investieren…“, so beispielhaft Tobias Zulauf in Bewerbungstutorials auf Youtube (2017). Hier stecken gleich mehrere Sachverhalte drin: a) stehe nicht zu deinen Leidenschaften, b) Risikorelevantes solltest du weglassen und c) Personaler*innen haben Angst vor Fehlinvestitionen – vom satzbildnerischen Nonsense mal abgesehen.
- Jedoch frage ich mich, zu welchem Zweck sollte man von seinen echten Hobbies Abstand zeigen? Um in Muster zu passen? Wer definiert eigentlich diese Muster? 🤹♀️ Sind wir es nicht selbst?
- Auch auf den Punkt der Risikorelevanz möchte ich kurz eingehen: In meiner Berufslaufbahn habe ich Rennfahrer kennengelernt, die mit wesentlich berechenbarem Risiko agieren, als Büroangestellte. Nehmen wir bspw. die folgenden Hobbies: Derivatehandel, freizeitlich die Stunts aus MTV’s Jackass nachzuahmen oder ein Heimlabor für chemische Anwendungen. Und ja, all diese Hobbies gibt es.
- Aber klingen in Richtung einer drohenden Fehlbesetzung diese Hobbies besser oder schlechter als das Sammeln von Disney’s Taschenbüchern, Züchten von Urzeitkrebsen oder Entomologie? Für mich ist die Person dahinter spannend und jedes Vorstellungsgespräch, welches ich mit einer unauthentischen Person führe, ist aus meiner Sicht eine „Fehlinvestition“.
Hobbies sind selbstverständlich kein Muss in der Bewerbung, aber sie können gute Verknüpfungspunkte mit den Gesprächsteilnehmenden sein und auch besonderes Interesse wecken. Ich konnte mein Allgemeinwissen zu der Vielfalt von Sportarten und anderer Freizeitbeschäftigen im Laufe meiner Recruiting-Zeit unglaublich erweitern. Habt ihr schon einmal von Shrovetide gehört, ein Quidditch Spiel gesehen oder mit Spannung die Ankunft eines besonders seltenen Flugzeugs am Flughafenfeld erwartet? Kennt ihr LARP, Groundhopping, den Flixbus-Simulator, Roofing, Coaster Counting oder Urban Exploring? Na dann wird es Zeit 😁
Der vorherige Absatz erzeugt bestimmt den Eindruck, dass das „Besondere“ wichtig zu sein scheint. Aber es ist wie mit dem Obstkorb in der Arbeitgebermarke. Es ist vielleicht nichts besonderes, aber ich esse trotzdem gerne einen Apfel 😋 Was ich damit sagen möchte: Hobbies dienen oft als Ausgleich zum Berufsalltag. Dabei ist es egal, ob man monatlich 200 Kilometer joggt oder man einfach die Beine baumeln lasst. Es ist sehr unterschiedlich, was einem den Kopf frei werden lässt. Ich empfehle euch auf die Hobby-Frage ehrlich zu antworten. Die meisten Personaler*innen kennen Netflix und haben Verständnis dafür, dass nicht die gesamte Freizeit für Softwareentwicklung drauf geht.
Es ist egal, ob ihr gerne eure Körper im Matsch suhlt, ekstatischen Tanz in den Clubs liebt, das Internet leer shoppt oder Klamauk-Videos auf Youtube konsumiert – ihr habt alle den gleichen Respekt in Vorstellungsgesprächen und die faire Bewertung eurer Fähigkeiten verdient. Identität, und dazu gehören Hobbies für mich, ist in erster Linie ein Teil des Selbstbilds.
Zuletzt haben wir drei gemeinsam das Thema eSports selbst ausprobieren dürfen. So sehen die Ratgeber Computerspiele: „Auch wenn […, diese] in Teams oder Gilden gespielt werden können und durchaus strategisches Denken schulen, besitzen sie noch immer ein negatives Image und sind eher mit einem soziophoben Eigenbrödler assoziiert. Das macht den angeblichen Teamplayer latent unglaubwürdig.“ (Quelle) Oha 🤣 so kann man es sehen. Für mich war unser eSports-Turnier eines der besten Projekte und mit dem größten und dazu sehr sympathischen Team! (Den Bericht kennt ihr vielleicht.) An dieser Stelle möchte ich meine Hochachtung für all diejenigen aussprechen, die ihre Freizeit in Ehrenämtern verbringen und anderen ihre Hilfe anbieten. 🦸♂️🦸
Aus meiner Sicht lassen Hobbies keinen konkreten Rückschluss auf eure Persönlichkeit zu – maximal unterstreichen sie diese, machen euch vollkommen und sorgenfrei! We hire people not skills.
Euer Nico
Header-Foto von Roberto Nickson (Unsplash.com)